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Man kann Emotionale Intelligenz nicht lernen. Doch, man kann!

…denn sie basiert auf Fähigkeiten. Welche das genau sind und wie das Lernen gelingen kann, lest Ihr hier.   

Da kann man nichts machen!

  • Ich bin eher der rationale Typ
  • Ja, schade, aber ich bin eher emotional minderbegabt
  • Ist ja auch gut so. Wenn ich zu weich wäre, wo kämen wir denn da hin?

Diese und ähnliche (Glaubens-)Sätze zu „Emotionaler Intelligenz“, begegnen uns häufig im Coaching oder auf unseren Retreats. Mal sind sie mit Bedauern mal mit Erleichterung verbunden. 

Und egal, ob ein*e Coachee das jetzt gut oder schlecht findet. Eins ist klar: „Entweder ich bin Emotional Intelligent oder ich bin es nicht. Ändern kann ich das eh nicht.“ … und so die / der Coachee weiter: „Gut, dass ich so sachlich und so rational bin“, [denn]

„Gefühle gehören eh nicht ins Business!“

Stimmt nicht! Schon in den 1990 Jahren hat der US-amerikanische Psychologe und Wissenschaftsjournalist, Daniel Goleman in seinem Buch über Emotionale Intelligenz, herausgefunden, dass ein hoher Emotionaler Quotient (EQ) für den beruflichen Erfolg wichtiger ist als ein hoher IQ.

Warum? Emotion spielen – sowohl im Privaten als auch im Beruflichen – eine entscheidende Rolle. Antonio Damásios Forschung zeigte bereits in den 1990ern: Wir treffen alle unsere Entscheidungen im Zusammenspiel zwischen unserem rationalen Denken und unserem Fühlen. Und in den allermeisten Fällen ist es sogar so, dass die Gefühle die größere Rolle in unseren Entscheidungen spielen. Wir treffen blitzschnell eine emotionale Entscheidung und erst dann „schalten wir unser Hirn an“, so dass unser sachliches, analytisches Denken Argumente findet, die unsere emotionale Entscheidung rational erklären. Kommt euch vielleicht bekannt vor? (Achtung Klischee-Alarm):

  • Vor dem Geschäft – Ratio an mich: „heute kaufe ich ein paar vernünftige schwarze Schuhe.“
  • Im Geschäft – Emotion an mich: „Die gelben Sneaker!“ … 
  • Gleich darauf Ratio an mich: „die gelben Sneaker sind 1. bequem, 2. sie passen gut zur neuen Hose, 3. sie halten bestimmt ewig, 4. schwarze Schuhe kann ich immer kaufen …“

Im Idealfall treffe ich – mit Hilfe der Impulskontrolle – eine bewusste Entscheidung, die sowohl rational sinnvoll ist als auch noch mein Herz (und meine Füße) zum Tanzen bringt.

Und genau hier kommt die Emotionale Intelligenz ins Spiel. Wenn sie gut entwickelt ist, hilft sie uns dabei, bewusster zu handeln, unsere Gedanken und Gefühle differenzierter wahrzunehmen und unsere Impulse besser kontrollieren zu können. Das führt zu viel reiferen Entscheidungen, die wir wirklich bewusst treffen, die gut durchdacht sind und mit denen wir – als Extra-Bonus – auch glücklich sind.

Und da kann man was machen?

Ja! Du kannst Deine Emotionale Intelligenz trainieren. Und natürlich ist es so, dass es manchen Menschen leichter fällt als anderen und es ist auch so, dass manche schon ein bisschen weiter sind als andere. Aber willst Du es deswegen sein lassen? Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert!

Bevor wir zum „wie geht das“ kommen, werfen wir einen Blick darauf, was Emotionale Intelligenz eigentlich ist. Dann wird auch klar, warum die erlernbar ist. 

Emotionale Intelligenz ist keine Charakter-Eigenschaft, sondern eine Fähigkeit, die aus 5 Einzelkompetenzen besteht

  1. Jeder Mensch hat seine eigenen Wahrnehmungs- und Verhaltensgewohnheiten und erlebt Gefühle auf unterschiedliche Weise und in variierender Intensität. Einige von uns neigen dazu, ihre Gefühle und Körperwahrnehmungen zu unterdrücken, während andere sich fast in einem Dschungel aus Emotionen oder einem Karussell von Gedanken verlieren. Das bewusste Erkennen dieser Muster wird als Selbstwahrnehmung bezeichnet.
  2. Selbststeuerung baut auf Selbstwahrnehmung auf und bezeichnet die Kompetenz, seine Impulse kontrollieren und sein Verhalten steuern zu können. Das ist – abhängig von der eigenen Verfassung – manchmal gar nicht so einfach. Es fällt uns vielleicht ganz leicht, uns zu steuern, wenn wir entspannt sind. Aber in einer Stress- oder einer Konfliktsituationen fühlen wir uns getriggert, und ein Automatismus an Reaktionen lässt uns unkontrolliert handeln. 
  3. Intrinsische Motivation ist die dritte Kompetenz und sorgt für innere Stabilität. Denn unsere tiefste innere Motivation hilft uns dabei, unser Tun auszurichten. Wir erlangen Klarheit darüber, was uns im Leben wirklich wichtig ist. Das führt zu tiefer Zufriedenheit. Wir können uns auch besser priorisieren und damit Stress reduzieren.
  4. Empathie wird oft auf andere Menschen bezogen. Doch Emotionale Intelligenz umfasst insbesondere auch die Fähigkeit, sich selbst gegenüber empathisch zu sein. Indem wir unsere eigenen – auch die negativ empfundenen – Gefühle wahrnehmen, erhalten wir Zugang zu unseren Bedürfnissen. Dabei ist es entscheidend, alle Emotionen zuzulassen und zu erkunden, was hinter ihnen steckt. Besonders in herausfordernden Situationen ist es wichtig, diese Fähigkeit zu entwickeln. In solchen Momenten neigen wir dazu, uns zu verschließen, um uns zu schützen, wodurch wir den Zugang zu unseren Bedürfnissen verlieren – gerade dann, wenn wir ihn am dringendsten benötigen.
  5. Beziehungsgestaltung (Soziale Kompetenz) bezieht sich darauf, die Beziehungen zu anderen Menschen in der Weise zu gestalten, wie es in einer bestimmten Situation hilfreich ist. Dies erfordert die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln, das heißt, sich in das Denken und Fühlen einer anderen Person hineinzuversetzen und die Situation aus deren Sicht zu verstehen. Auf dieser Grundlage kann man dann angemessen reagieren und sowohl zielgerichtet als auch beziehungsfördernd handeln.

Jetzt aber: Wie trainiere ich meine Emotionale Intelligenz?

Um die oben beschriebenen 5 Kompetenzen auszubauen, empfehlen wir, auf drei Ebenen zu arbeiten: 

  • Kognitives Verstehen der Zusammenhänge
  • Reflexion und Beobachtung der eignen Muster
  • Achtsamkeits- und Körperübungen
  • Einen inneren spürenden Beobachter aufbauen 

Kognitiv: Für viele Menschen ist es am einfachsten, sich zuerst kognitiv mit den Grundlagen der emotionalen Intelligenz auseinanderzusetzen. Hilfreich sind hier Erkenntnisse aus der Hirnforschung und verschiedene Modelle von Wirkmechanismen. Doch – das hast Du Dir sicher schon gedacht – eine rein kognitive Auseinandersetzung mit dem Thema reicht nicht aus, um die emotionale Intelligenz nachhaltig zu entwickeln. Denn es ist entscheidend, das erlernte Wissen auf Dich selbst anzuwenden. 

Selbstreflexion hilft Dir, Deinen Mustern auf die Spur zu kommen. Dabei kannst Du anhand von tieferführenden Fragen für Dich selbst reflektieren.

Austausch mit anderen: In der Selbstreflexion kann es auch hilfreich sein, Dich in einer kleinen, vertrauensvollen Gruppe auszutauschen. Denn Gruppen können einen erheblichen Einfluss auf den eigenen Reflexionsprozess ausüben. Hier kommen unterschiedliche Meinungen, Erfahrungen und Sichtweisen zusammen, die es Dir ermöglichen, Deine eigenen Gedanken und Überzeugungen zu hinterfragen und neue Einsichten zu gewinnen. Gruppen bieten Dir auch die Möglichkeit, Deine blinden Flecken zu erkennen. Sie können Dich wertschätzend mit Deinen Glaubenssätzen konfrontieren und helfen Dir dabei, Deine eigenen Überzeugungen kritisch zu hinterfragen und zu überdenken.

Körperübungen unterstützen Dich dabei, einen besseren Zugang zu Deinem „Emotionalen System“ zu bekommen. Emotionen drücken sich in körperlichen Reaktionen aus (z.B. Magengrummeln bei Überforderung, Klos im Hals bei Trauer, Gänsehaut bei Angst, …). Durch körperliche Übungen kannst Du das Bewusstsein für Deinen Körper schärfen, um körperliche Empfindungen besser wahrzunehmen und so den damit verbundenen Emotionen besser auf die Spur zu kommen. 

Achtsamkeit bezeichnen wir als Schlüsselkompetenz zur Emotionalen Intelligenz. Sie verdient einen eigenen Blog-Eintrag. Hier nur ein kleiner Teaser: Achtsamkeitsübungen fördern die Präsenz im Moment und helfen Dir, Emotionen ohne Urteil zu beobachten und zu akzeptieren. Sie helfen Dir auch, einen „inneren spürenden Beobachter“ aufzubauen und damit das gezielte Unterbrechen Deiner „Reiz-Reaktionsmuster“.  

Einen inneren spürenden Beobachter baust Du auf, indem Du Dich in Alltagssituationen – vor allem in stressigen – beobachtest. Dabei nimmst Du Deine Gedanken, Deine körperlichen Empfindungen, Deine Gefühle, Deine Bedürfnisse, Deine Impulse immer feiner und bewusster wahr. Du erkennst damit immer besser, was Dich wann wie triggert und lernst, nicht automatisch zu reagieren (Reiz-Reaktionsmuster), sondern in Deiner Reaktion innezuhalten und Deine Handlung bewusst zu wählen.

Das lohnt sich doch!

Emotionale Intelligenz trägt dazu bei, Dein persönliches und Dein berufliches Leben zu bereichern, indem sie Dein Verständnis für Dich selbst und für andere vertieft:

  • Bessere zwischenmenschliche Beziehungen
  • Bessere Entscheidungen
  • Effektivere Kommunikation
  • Bessere Fähigkeit zur Konfliktlösung
  • Bessere Stressbewältigung und erhöhte Resilienz
  • Effektivere Führung
  • Persönliches Wachstum

Und für alle, die gerne „rationale Typen“ sind, empfehlen wir, es zu bleiben und zusätzlich die Fähigkeiten der Emotionalen Intelligenz auszubauen – das geht nämlich auch.

Photocredit: lvnl/Adobe Stock

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