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Umgang mit Angst

Wie kann der Umgang mit Angst im Coaching-Prozess gelernt und diese transformiert werden?

Angst ist ein Grundgefühl des Menschseins. Sie begleitet uns durch das Leben, mal mehr, mal weniger präsent. Viele Menschen kommen ins Coaching, weil sie mit Ängsten zu kämpfen haben, die ihr Handeln blockieren und ihren Alltag belasten. Doch was ist Angst wirklich? Wie kann der Umgang mit Angst gelernt werden, und warum ist es so wichtig, im Coaching auf einer tieferen, psychodynamischen Ebene zu arbeiten?

In diesem Blogartikel möchten wir aus unserer Perspektive als Coaches einen Blick auf den Umgang mit Angst werfen, da uns das Thema häufig in unserer Arbeit im Coaching, der Mediation, der Transformationsbegleitung, aber auch im Leben insgesamt begegnet. Dabei beziehen wir uns – um nur zwei von vielen wesentlichen Einflussfaktoren auf unsere Arbeit hervorzuheben – auf das IntrovisionCoaching von Ulrich Dehner und die Metatheorie der Veränderung von Klaus Eidenschink. Diese Theorien und Herangehensweisen bieten uns wertvolle Einsichten darüber, wie Veränderung auf einer tieferen Ebene angeregt werden kann und warum die Arbeit auf der Handlungsebene allein oft nicht ausreicht.

💡Angst als emotionales Alarmsignal

Angst kann auf unterschiedliche Weisen erscheinen: als diffuse Besorgnis, als spezifische Furcht oder als existenzielle Bedrohung. Wir verstehen Angst als Alarmsignal. Sie weist darauf hin, dass etwas im Inneren des Menschen nicht im Gleichgewicht ist. Dieser Alarm tritt auf, wenn innere Bedürfnisse, Wünsche oder Sehnsüchte auf Widerstände oder Bedrohungen stoßen, die uns an der Erfüllung dieser Bedürfnisse hindern.

Die Angst ist also nicht nur ein Hindernis, das wir überwinden müssen, sondern vielmehr ein Indikator, der uns tiefergehende Informationen über unseren psychischen Zustand gibt. Viele Klient*innen kommen jedoch ins Coaching mit dem Wunsch, die Angst „wegzumachen“. Sie möchten schnell handeln, ihre Ängste loswerden, ohne sich mit den tieferliegenden Ursachen zu beschäftigen.

Wir betrachten Angst nicht als bloßes Symptom, sondern als Hinweisgeber für ungelöste innere Konflikte und Spannungen. Es geht also nicht ums „Wegmachen“, sondern um das Verstehen, um einen besseren Umgang mit Angst zu lernen.

💡Psychodynamische Prozesse verstehen

Wir Menschen stehen in einem ständigen Spannungsfeld zwischen verschiedenen Bedürfnissen, Werten und sozialen Einflüssen. Jeder Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens Strategien, um mit diesen Spannungen umzugehen. Manche dieser Strategien sind jedoch unbewusst und nicht immer funktional. Angst entsteht dann, wenn diese Spannungen so groß werden, dass sie unser psychisches Gleichgewicht bedrohen.

Zum Beispiel kann jemand den Wunsch nach Autonomie und Selbstverwirklichung haben, gleichzeitig aber auch tiefe Bindungsängste oder das Bedürfnis, von anderen gemocht zu werden. Wenn diese beiden Bedürfnisse in Konflikt geraten, entsteht ein innerer Druck, der als Angst spürbar wird.

In diesem Sinne ist Angst kein „Fehler“ oder Defizit, sondern das Ergebnis von inneren Dynamiken, die im Coaching-Prozess aufgedeckt und bearbeitet werden können. Die Herausforderung besteht darin, diese tieferliegenden Konflikte und Spannungen zu erkennen und sie nicht vorschnell durch oberflächliche Handlungsstrategien zu „lösen“. Um einen hilfreichen Umgang mit Angst zu lernen braucht erst das Erkunden der inneren Konflikte – mit Fingerspitzengefühl, einem vertrauensvollem Miteinander, in einem geschützten Raum und mit der Begleitung eines/einer in diesen Themenfeldern und auf diesen Ebenen erfahrenen Coach.

💡Warum Arbeit auf der Handlungsebene allein nicht ausreicht

Viele Coaching-Ansätze konzentrieren sich darauf, Verhaltensweisen zu ändern: neue Gewohnheiten zu etablieren, alte Muster zu durchbrechen, konkrete Ziele zu erreichen. Diese Arbeit auf der Handlungsebene kann kurzfristig Erleichterung verschaffen, doch sie reicht oft nicht aus, um tiefere, psychodynamische Prozesse zu verändern.

Für Letzteres gibt unterschiedliche Begriffe: Emotionscoaching, psychodynamisches, transformatives, achtsamkeitsbasiertes Coaching oder Coaching, das aus unterschiedlichen Coaching-Ansätzen schöpft und hinderliche innere Dynamiken zur Persönlichkeitsentwicklung und Reifung nutzt, also integratives Coaching.

Ein Beispiel: Ein Klient hat Angst vor öffentlichen Auftritten und möchte im Coaching lernen, selbstbewusster aufzutreten. Wenn wir hier nur auf der Handlungsebene arbeiten, könnte der Fokus darauf liegen, Techniken wie Atemübungen oder Visualisierungen zu lernen. Diese Techniken können hilfreich sein, doch sie greifen oft zu kurz, weil sie das eigentliche emotionale und psychodynamische Problem nicht adressieren.

Es geht vielmehr darum, den Blick auf das „darunterliegende“ Problem zu richten: Welche Ängste oder Bedürfnisse sind unbewusst im Spiel? Welche inneren Konflikte werden durch die öffentliche Rede aktiviert?

Diese Fragen sind entscheidend, um eine nachhaltige Veränderung zu bewirken. Denn solange die tieferliegenden Ursachen der Angst nicht erkannt und bearbeitet werden, wird die Angst früher oder später wieder auftauchen, oft in einer anderen Form.

💡Der Coaching-Prozess: Den Raum für tiefere Arbeit schaffen

Als Coach ist es unsere Aufgabe, einen Raum zu schaffen, in dem Klient*innen ihre Ängste nicht nur erkennen, sondern auch verstehen und transformieren können. Der Coaching-Prozess nach der Metatheorie der Veränderung beginnt daher oft mit der Exploration der psychischen Dynamiken, die hinter der Angst stehen.

Ein zentraler Schritt ist dabei die Achtsamkeit und Bewusstwerdung. Oft haben Klient*innen kaum Zugang zu den tieferliegenden Gefühlen und Bedürfnissen, die ihre Ängste auslösen. Sie sind sich vielleicht nicht bewusst, dass ihre Angst vor Versagen mit einem tiefen Bedürfnis nach Anerkennung oder dem Vermeiden von Scham zusammenhängt.

In diesem Stadium des Coachings geht es darum, die Aufmerksamkeit nach innen zu richten und die emotionale Landkarte des Klienten zu erkunden. Dies kann durch gezielte Fragen, Reflexion und emotionale Achtsamkeitsübungen geschehen. Als Coaches helfen wir unseren Klienten dabei, die „Botschaft“ der Angst zu entschlüsseln und die inneren Spannungen sichtbar zu machen.

💡Zwischen den Coaching-Sitzungen: Umgang mit Angst im Alltag

Der Prozess der Veränderung endet jedoch nicht in der Coaching-Sitzung. Zwischen den Sitzungen spielt die Selbstreflexion der Klient*innen eine zentrale Rolle. Hier sind einige Ansätze, die helfen können, die Arbeit zwischen den Sitzungen und den hilfreichen Umgang mit Angst zu vertiefen:

  1. Achtsamkeit und Selbstbeobachtung: Klient*innen werden ermutigt, ihre emotionalen Reaktionen im Alltag bewusster wahrzunehmen. Wenn Ängste aufkommen, kann dies als Einladung gesehen werden, innezuhalten und sich zu fragen: „Was genau fühle ich gerade? Welche Gedanken oder Situationen haben diese Angst ausgelöst?“
  2. Tagebuchführen: Das Führen eines Tagebuchs kann helfen, Muster zu erkennen. Welche Situationen lösen Ängste aus? Welche inneren Überzeugungen oder Glaubenssätze stehen hinter der Angst? Klient*innen können im Tagebuch notieren, wann sie Angst verspüren und was in diesen Momenten passiert.
  3. Mit dem „inneren Team“ arbeiten: Eine Methode, die im Coaching oft eingesetzt wird, ist das Konzept des „inneren Teams“. Dabei geht es darum, die verschiedenen inneren Stimmen oder Anteile einer Person zu erkennen, die in Konflikt miteinander stehen. Klient*innen können sich zwischen den Sitzungen damit beschäftigen, diese inneren Anteile zu identifizieren: Welcher Teil in mir hat Angst? Welcher Teil will sich durchsetzen? Welche Anteile brauche ich, um diesen Konflikt zu lösen?
  4. Emotionsfokussierte Selbstfürsorge: Angst kann auch als Signal dafür verstanden werden, dass wir uns selbst zu wenig Fürsorge und Mitgefühl entgegenbringen. Klient*innen können angeleitet werden, sich bewusste Momente der Selbstfürsorge zu schaffen, in denen sie sich aktiv um ihre emotionalen Bedürfnisse kümmern.

💡Das IntrovisionCoaching nach Ulrich Dehner

Eine Vorgehensweise, die wir – sofern wir sie als passend empfinden und der/die Coachee zustimmt – auch im Coaching anwenden, ist das IntrovisionCoaching nach Prof. Angelika Wagner und Ulrich Dehner. Diese Methode basiert auf der Idee, dass es innere Konflikte und Spannungen sind, die Gefühle wie Angst oder Stress verursachen und bewusstes, angemessenes Handeln blockieren. Ziel des IntrovisionCoachings ist es, diese inneren Spannungen aufzulösen, indem man sie bewusst wahrnimmt, ohne in die gewohnten Reaktionsmuster zu verfallen.

👣Die Methode IntrovisionCoaching gliedert sich in mehrere Schritte:

  1. Konfliktanalyse: Im ersten Schritt wird der innere Konflikt, der die Angst oder den Stress auslöst, analysiert. Dabei geht es darum, das konkrete „Muss“, das hinter der Angst steht, zu erkennen – also den Zwang, der im Inneren empfunden wird, etwa „Ich muss alles perfekt machen“ oder „Ich darf keinen Fehler machen“.
  2. Introvision (wache Wahrnehmung): Im zweiten Schritt wird die Aufmerksamkeit auf den inneren Konflikt gerichtet, ohne ihn zu bewerten oder zu verändern. Die sogenannte „wache Wahrnehmung“ ist eine Art meditativer Zustand, in dem man den inneren Druck und die damit verbundenen Gefühle einfach nur beobachtet.
  3. Deautomatisierung von Reaktionsmustern: Durch die wache Wahrnehmung wird der Automatismus, der normalerweise auf den Konflikt folgt, unterbrochen. Klient*innen lernen, die Spannung wahrzunehmen, ohne sofort in die gewohnte Handlung oder Angstreaktion zu verfallen. Dies führt zu einer inneren Entlastung und einem Loslassen der Angst.
  4. Nachspüren und Integration: Der letzte Schritt besteht darin, die Veränderungen zu integrieren. Klient*innen beobachten, wie sich ihre emotionale Reaktion auf den inneren Konflikt nach mehreren Sitzungen verändert und erleben, dass die Angst allmählich nachlässt.

IntrovisionCoaching ist besonders hilfreich bei lang anhaltenden, tief verwurzelten Ängsten, da es direkt an der Quelle der inneren Konflikte arbeitet und dabei hilft, die automatisierten Reaktionsmuster aufzulösen und einen souveränen Umgang mit Angst zu lernen.

💡Fazit: Angst als Chance für tiefgreifende Veränderung

Angst ist kein Hindernis, das überwunden werden muss, sondern eine Einladung, mit professioneller Unterstützung, z.B. durch einen Coach, tiefer zu schauen. Die Metatheorie der Veränderung nach Klaus Eidenschink und das IntrovisionCoaching nach Ulrich Dehner sind 2 Vorgehensweisen von vielen, mit denen wir in unseren Coachings & Retreats im EntfaltungsRaum Emotionale Intelligenz & Achtsamkeit arbeiten. Sie zeigen uns, dass die Bearbeitung von Ängsten, der Umgang mit Angst, nicht allein auf der Handlungsebene stattfinden kann, sondern dass es wichtig ist, die dahinterliegenden psychodynamischen Prozesse zu verstehen und zu spüren.

Indem wir als Coaches Klient*innen dabei unterstützen, die „Botschaften“ ihrer Ängste zu entschlüsseln, schaffen wir die Grundlage für eine tiefgreifende Veränderung. Angst ist dabei nicht der Feind, sondern ein wichtiger Hinweisgeber für innere Konflikte und Bedürfnisse, die gesehen und verstanden werden wollen.

Die eigentliche Transformation geschieht, wenn Klient*innen lernen, ihre Ängste als Wegweiser zu nutzen und dadurch nicht nur ihr Verhalten, sondern auch ihr inneres Erleben, ihren Umgang mit Angst, nachhaltig zu verändern.

Martina Bär & Menexia Kladoura

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Alle unsere Angebote basieren auf dem Konzept der Emotionalen Intelligenz & Achtsamkeit. Das ist Teil unseres systemisch, achtsamkeitsbasierten, integrativen Coaching-Ansatzes.

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